Leseprobe

Krål Linannson

 

Es entstand Bewegung in der Jurte. Kharikam gab leise Anweisungen, Uhjakat antwortete ihr. Auf und Zuklappen von Truhen, Rascheln von Stoff, Klappern einer Schale. Vor die Tür gehen und austreten. Räuchern von Wacholder, Klangprobe der Trommel. Sie bereiteten das Ritual vor.

   „Sollen wir nun hinausgehen?“ fragte Sharka.

   „Nein, ihr bleibt hier, meine Töchter“, antwortete die Schamanin. „Damit euer Bruder euch sieht und weiß, warum er zurückkommen soll.“

   „Und Tchi-Liann?“

   Kharikam seufzte: „Auch er muss bleiben. Draußen ist es nicht sicher für ihn und nicht für die Orks. Er wird es nicht wagen, uns zu stören! Ihr beide nehmt Waffen. Wenn er doch etwas macht mit seinen Gedanken, schneidet ihr ihm die Kehle durch!“

   Eine Drohung im vierten Aggregatzustand, fand Trillian. Selbst wenn er es wollte, wäre er doch kaum in der Lage sich zu konzentrieren, wenn das Tamtam erst mal losging. 

 

Das Tamtam ging los, und wie! Ohne Vorspann wie beim letzten Mal. Plötzlich begann die Trommel zu dröhnen, zeitgleich lärmten Rasseln los, drei Orkfrauen - die drei mächtigsten Frauen des Stammes – und ein Kind hoben ihre Reibeisenstimmen zu einem schauerlichen Geheul.

   ‚Wenn Dschaghats Seele von dem Krach mal nicht ganz vertrieben wird‘, spottete Trillian in Gedanken. Dann rügte er sich selbst. Dschaghat war ein Ork, und Orks waren ja bekanntlich nicht so lärmempfindlich. Und hatte Kharikam mit ihrer merkwürdigen Methode nicht auch bei dem fieberkranken Kind eine Heilung, zumindest eine deutliche Besserung erzielt? Vielleicht gab es ja doch soetwas wie heilmächtige Geister, und Kharikam kannte sich damit aus. Vielleicht wohnten diese Geister in anderen Dimensionen, wie die Arkankräfte der Magier, und wurden durch den Krach gerufen. Je mehr Krach, desto mächtiger die Geister, oder so ähnlich.

   Trillian musste lächeln. Was für eine komische Vorstellung. Sie widersprach allem, was er bisher über Astrale Physik gelesen hatte. Was aber, wenn die „Geister“ der Orks nichts anderes waren als dieselben arkanen Kräfte der Magier, nur dass die Orks sie in ihrer primitiven Vorstellung in Tier- und Geistgestalten kleideten und sie auch so sahen?

 

Nach Aleph Zweisteins Theorie hatte das Weltbild des Magieanwenders durchaus einen Einfluss darauf, wie er diese Energien wahrnahm, und Aleph hatte sogar mal angefangen, das im Experiment zu überprüfen.

   Seine Stichprobe bestand aus zwölf Magiestudenten, zugegeben, keine Zahl, mit der sich Statistik treiben ließe, aber das war ein generelles Problem dieses Fachs. Echte Magiebegabte waren einfach sehr selten und noch seltener an einem Ort. Dennoch hatte er beeindruckende Ergebnisse. Zunächst musste jeder Magier vier definierte Zauber aus dem Prüfungsfragenkatalog für das zweite Semester zaubern: einen Feuerfinger, einen Lufthauch der Windstärke zwei, eine Levitation von einem Taschentuch mit exakt 3,3 Gramm Gewicht und ein Unsichtbarmachen eines sechsseitigen Würfels für sechs Minuten. Nichts Herausragendes, aber so war die Anordnung standardisiert.

   Direkt im Anschluss sollten sie auf einem Blatt Papier beschreiben und auch zeichnen, wie sie beim Zaubern die arkanen Kräfte wahrgenommen hatten. Schon hier zeigten sich frappante Unterschiede, und die waren deutlicher zwischen den Teilnehmern als zwischen den Aufgaben. Die einen sprachen von feinen Energielinien, die anderen von dicken Bündeln, die dritten gleich von ganzen Netzen, und die vierten sahen nichts dergleichen, sondern flimmernde Punkte, Fraktale oder noch abstraktere Strukturen.

   Danach bestellte Aleph einen Meisterhypnotiseur, der jedem Teilnehmer, ohne dass der es mitbekam, eine jeweils andere Vorstellung davon suggerierte, wie die arkane Kraft auszusehen hätte. Er wiederholte das Experiment. Und siehe da, die Teilnehmer, die vorher Linien wahrgenommen hatten, behaupteten jetzt Punkte zu sehen und umgekehrt. Erasmus, der mit den Fraktalen, sah jetzt plötzlich blaue, geflügelte Schweine, da war etwas schiefgegangen, aber ansonsten bestätigten die Ergebnisse die Theorie. Das Experiment wurde sogar in der Fachzeitschrift „Arkana“ veröffentlicht. Trillian kannte den Artikel, er hatte im Manuskript seines Freundes die Rechtschreibung überarbeitet, denn Aleph war ein hoffnungsloser Legastheniker.

   Blaue geflügelte Schweine also. Erasmus hatte dennoch einwandfrei gezaubert. Warum also nicht auch Gänsegeier? Oder grüngelb geringelte Schlangen? Oder die vielgenannten „Geister“?

   Damit kam man zur nächsten Frage. Konnten die Orks wirklich zaubern? Hatten sie etwa eine andere Form gefunden, der Magie zu gebieten, als sie mit komplizierten Formeln zu berechnen und in einem ausgeklügelten System aus hundertseitigen Ritualbeschreibungen, exakt ausformulierten Beschwörungsworten und mit der Feinwaage abgewogenen Zutaten sich gefügig zu machen? War das möglich?

   Die Wucht der Erkenntnis schlug einen ganzen Lattenzaum von seinem Kopf weg.

   Die Elfen! Machten es die Elfen im Grunde nicht genauso? Auch sie verzichteten vollständig auf wissenschaftlichen Brimborium. Sie hatten andere Rituale, sicher um einiges anspruchsvoller als die der Orks, aber die meisten Elfen gingen mit der Magie so locker-flockig um wie ein Ork mit seinem Pferd.

   Und wenn es sich nun mit den Orks ähnlich verhielt, zumindest mit einigen begabten Orks wie Kharikam? Dass sie auch einen naturgegebenen Zugang zur Magie hatten, den sie nur anders begriffen und anders fokussierten als die Elfen beispielsweise?

   Kein Mensch würde ihm das glauben, wenn er das zuhause erzählte! Er selbst hatte es ja auch nicht einmal in Erwägung gezogen bis eben. Er hatte wie alle geglaubt, die Orks seien primitiv. Zu primitiv für intellektuelle Leistungen, wie sie menschlichen Magiern abverlangt wurden, und zu primitiv für so feine Empfindungen, welche den Elfen ihre überragenden Antennen fürs Feinstoffliche bescherte. Aber waren sie das wirklich?

   Zumindest Kharikam hatte ihn eines Besseren belehrt. Ihre Wahrnehmung war so gut, dass sie Trillians Eindringen in ihre Mentalsphäre gemerkt hatte, sie war psychologisch geschickt und intelligenter als viele Menschen, sie kannte erstaunlich moderne Heilmethoden, und sie praktizierte eine Art orkisches Magiesystem, mit viel Getöse und Tamtam, aber offenbar aus einer langen Tradition heraus und durchaus mit Erfolg.

   ‚Was sind das für Geister?‘ fragte er sich, während der Rhythmus von Trommel und Rassel unmerklich schneller wurde. Die Frauen hatten eine gemeinsame Tonlage gefunden, ihre Gesänge klangen nicht mehr nach halberdrosselten Krähen und liebestollen Katern, sondern tief und kraftvoll. ‚Was sind die Geister?' wiederholte er in Gedanken die Frage. ‚Wie sehen sie aus? Wie sehen die Orks ihre Magie? Das wüsste ich nur zu gerne, dann könnte ich Aleph davon erzählen!‘

   Lachhaft. Als ob er jemals eine Chance hätte, das selbst zu sehen. Er, Trillian, der große Magier!

   Und dann sah er doch etwas. Vor seinem inneren Auge jedenfalls. Zugegeben, natürlich keine Geister oder sowas. Aber etwas, was ihn in höchstem Maße erfreute und alle Probleme vergessen ließ...

 

Vor ihm stand der rostrote Einhornbulle im hohen Steppengras. Das Bild wirkte in einem Maße realistisch, als wären sie in der Wirklichkeit. Trillian konnte jedes Haar einzeln erkennen, jeden Knoten in der verfilzten Mähne, die Narbe am Hals und eine Kerbe im linken Hinterfuß. Auch die Umgebung wirkte sehr echt, aber die Landschaft unterschied sich von jeder, die Trillian bisher gesehen hatte. Das Grasland reichte von Horizont zu Horizont, kein Baum, kein Strauch war mehr darin zu finden. Und das Gras war anders, hart, krautlos und beinahe mannshoch.

   Der Einhornbulle wandte ihm den Kopf zu und sah ihn an. Dann drehte er sich jählings um und galoppierte in den Osten davon, aber nur um kurz danach aus dem Westen wieder aufzutauchen, wild die Mähne zu schütteln, vor Trillian eine Vollbremsung zu machen und ihn wieder anzuschauen. Sein Blick hatte jetzt etwas Freches, Mutwilliges, wie bei dem Hengst Gugga. Er rannte wieder davon, und das ganze Spiel wiederholte sich.

   „Was willst du denn von mir?“ fragte Trillian etwas ratlos, als das Einhorn zum vierten Male vor ihm stand. „Was möchtest du mir begreiflich machen?“ Der Bulle schnaubte herausfordernd und scharrte mit den Hufen.

   Jemand packte Trillian von hinten kräftig an den Schultern. Der Elf erschrak fast zu Tode und fuhr herum. Er erwartete, Dschaghat zu sehen, aber es war kein Ork.

    Es war ein Nordmann.

   Ein Hüne von einem Nordmann, zwei Meter groß, blond und furchteinflößend. Er war altmodisch gekleidet, mit einer wollenen, bunt versäumten Tunika und darüber einem Klappenmantel, der von einer bronzenen Fibel gehalten wurde. Am Gürtel trug er ein Saxmesser, über der Schulter den obligatorischen Rundschild aus Holz mit einem Metallbuckel in der Mitte und eingehakter Streitaxt, und auf dem Rücken eine vollbepackte Kiepe. In dem wilden, zerfurchten Gesicht, zwischen buschigen Augenbrauen und einem üppigen, in Zöpfe geflochtenen Bart, waren tatsächlich noch die Augen zu erkennen, und diese strahlten Trillian jetzt sehr blau und sehr freudig entgegen. 

   „Es gibt sie doch, mein Freund!“ rief er mit dröhnender Stimme. „Natürlich gibt es sie, habt Ihr jemals daran gezweifelt?“

   „Nein“, räumte Trillian ein. „Eigentlich nicht.“

   „Seht Ihr!“ brummte der Nordmann zufrieden. „Ich auch nicht. Aber die Welt zweifelt. Das sollte doch zu ändern sein!“ Und er lud seine Waffen und seine Kiepe ab ins Gras und begann sie zu durchwühlen. Reste einer Mahlzeit kamen zum Vorschein, ein Stück Dörrfisch, Zwergenhartkekse, eine Decke, eine Bratpfanne, eine Laterne, eine große Holzschatulle.

   „Ho!“ rief der Nordmann. Er fegte die anderen Sachen beiseite, nahm die Holzschatulle und setzte sie feierlich vor Trillian auf den Boden. „Ich habe da etwas, was Euch interessieren könnte!“

   Er öffnete die Schatulle in Trillians Richtung. Zum Vorschein kam ein Haufen glänzender goldgelber Steine unterschiedlichster Größe, einige marmoriert, die meisten durchsichtig und mit vielerlei Einschlüssen.

   „Rav. Das Gold des Meeres, beinahe so alt wie die Shitgardschlange selbst. Nur ausgelesene Stücke! Dieses hier ...“ – er hielt Trillian einen längliches Objekt unter die Nase mit einem eingeschlossenen Insekt – „…ist ein Schnellkäfer. Familie Elateridae. Bestimmt 40 Millionen Jahre alt! Oder mögt Ihr lieber Ameisen? Spinnen? Köcherfliegen? Ich habe auch noch etwas wirklich Besonderes.“ Er griff tief in die Kiste hinein und förderte einen kastaniengroßen glasklaren Bernstein zutage. In ihm war eine winzige Echse für immer konserviert. Der Nordmann zog eine Lupe aus der Tasche, um die Details sichtbar zu machen, und winkte Trillian noch näher heran. „Kommt her, kommt ruhig her, der tut Euch nichts mehr. Ist schon seit 35 Millionen Jahren tot. Seht genau hin!“

   Unter dem Vergrößerungsglas wurden zarte mehrfingrige Flügel sichtbar, ein stacheliger vogelähnlicher Kopf mit weitaufgerissenem Maul, und winzige blauschillernde Schuppen!

   „Coelurodraco ornitholestes“, verkündete der Nordmann stolz. „Der kleinste Drache der Welt. Ihn gibt es heute auch nicht mehr. Nur noch einen entfernten Verwandten auf der Nebelinsel. Und auch Fossilfunde sind sehr, sehr selten. Weil er so klein ist, Ihr wisst ja. Das ist mein wertvollstes Stück, verratet das bloß nicht den Orks! Na – was sagt Ihr nun?"

   „Ich staune“, antwortete Trillian wahrheitsgemäß. „Er ist wunderschön. Was macht Ihr denn damit? Mit soviel Bernstein?“

   „Ich sammle sie“, erklärte der Wikinger. „Und ich verkaufe sie. Das ist nämlich die einzige Möglichkeit, einigermaßen gefahrlos durch dieses Land zu kommen. Die Orks sind inzwischen ganz wild auf meinen Bernstein. Außerdem bessert das die Reisekasse auf, nachdem die Königliche Naturforschende Gesellschaft so knauserig geworden ist. Nun, habe ich Euer Interesse geweckt? Ich mache Euch einen besonders guten Preis, unter Kollegen sozusagen.“

   „Es sind einzigartige Stücke“, sprach Trillian höflich. „Doch ich besitze leider kein Geld, das ich für solche Dinge ausgeben könnte.“ Er schaute etwas ängstlich zu dem riesigen Kerl empor, der ihn um Haupteslänge überragte, und hoffte, er würde ihm das nicht übelnehmen.

   „Schade, schade“, sprach der Hüne gutmütig. „Ich verstehe Euch, mein Junge. Als ich selbst noch Student war, hatte ich auch keine Kupfermünze übrig.“

   Moment. Königliche Naturforschende Gesellschaft? Student?? Kollegen??? Trillian fiel es wie Schuppen von den Augen.

   „Ihr ... Ihr seid doch nicht etwa ...“  

  „Krål der Belesene, Sohn von Linann Ingmarsson und Ronja Brodarsdottir. Und Ihr seid Trillian, Sohn von Chemluth Trilapis, habe ich recht?“ Er streckte Trillian seine Hand entgegen.

   „Ja“, stotterte Trillian völlig perplex. Er rührte sich nicht.

  „Ausgezeichnet!“ rief der Nordmann, packte unaufgefordert Trillians rechte Hand und schüttelte sie kräftig. „Ich grüße Euch, Trillian Chemluthson! Ich wollte euch nämlich schon immer mal treffen. Es gibt nicht so viele, mit denen man sich fachlich austauschen kann, versteht Ihr? Über die Einhörner, meine ich.“

   Trillian nickte stumm, immer noch überwältigt. Vor ihm stand sein Idol. Jene historische Person, der Trillian glühende Bewunderung entgegenbrachte, der Mann, dessen Eifer und Idealismus ihm Vorbild waren, auf dessen Spuren er sich ernstlich vorgenommen hatte zu wandeln. Er hatte sich ihn ganz anders vorgestellt, irgendwie ehrwürdiger, intellektueller, nicht als zotteligen Hünen in Nordmann-Tracht ... andererseits: Linannson war gebürtiger Nordmann, das galt als historische Tatsache –

    „Dann lasst uns jetzt unsere Arbeit tun!“

   Linannson förderte weitere Dinge aus seinem Rucksack: ein altertümliches Fernrohr, Bücher, Bündel von Papier, Feder und Tinte. 

   „Wo ist es denn ... wo habe ich denn...?“ Er durchblätterte einen Papierstapel mit Aufzeichnungen. „Ah hier! Seht her!“ Er hielt Trillian das Blatt vor die Nase. Wenn es bis dahin noch letzte Zweifel gegeben hatte, dann wurden die jetzt ausgeräumt. Es war die Einhornzeichnung aus Yggdrasil! Allerdings nur halbfertig, es fehlten noch die Fellschattierung und der Schwanz. 

   Linannson spannte das Blatt auf ein hölzernes Klemmbrett, trat ein paar Schritte zurück und fixierte den Einhornbullen mit Kennerblick. Das Tier sah interessiert zu ihnen herüber. Linannson setzte sich ins Gras. Auf dem Schoß hielt er das Klemmbrett mit der Zeichnung, in der Hand seine Schreibutensilien. Er winkte Trillian zu sich heran und streckte ihm das geöffnete Tintenfass entgegen.

   „Wäret Ihr so freundlich, das hier für mich festzuhalten? Es fällt leider sehr schnell um.“

   Trillian war so freundlich, und Linannson machte sich ans Werk. Geduldig tauchte er den Federkiel immer wieder ein und setzte Strich um Strich.

   Trillian bestaunte die Arbeit. Damals gab es noch keine Holzstifte mit Graphitminen, die man mit dem Messer nur nachzuspitzen brauchte. Ein Tintenklecks, und alles wäre verdorben. Aber Linannson kleckste nicht. Seine grobe Riesenhand zeichnete mit Präzision, während der Bulle gelassen Modell stand, und das Einhorn auf dem Papier wurde immer lebensechter.

   Und dabei hatte Linannson auch noch die Gelassenheit, freundlich zu plaudern. Er fragte den Elfen, was er alles gelesen, wie er sich vorbereitet und wieviel Erfahrung er schon in der Wildnis habe, und Trillian antwortete ihm bereitwillig. Linannson gab seinerseits Wissen und Erfahrungen zum besten. Bald unterhielten sie sich so vertraut, als seien sie langjährige Freunde. 

   „Und nun will ich Euch etwas verraten“, so sprach der Nordmann. „Das Wolleinhorn ist nicht so ohne weiteres aufzuspüren, wisst Ihr? Es genügt nicht, sich Fachwissen aus anderen Aufzeichnungen anzueignen, seinen Lebensraum zu kennen, seine Fußabdrücke zu identifizieren und seine Spuren im Astralraum zu messen. Oh, dies alles ist natürlich Voraussetzung, aber das allein reicht nicht aus.“

   „Was ist es dann?“ fragte Trillian begierig. „Was braucht man noch?“

   „Ich habe leider keine Ahnung“, gestand Linannson. „Wenn ich das wüsste, wäre ein großes Rätsel gelöst. Es kommt mir so vor, als würde Monoceros antiquitatis selbst entscheiden, wem es sich zeigt. Ich weiß, es klingt abenteuerlich, aber ich kann es nicht anders beschreiben. Und nach welchen Kriterien es das tut, hat kein Mensch jemals herausfinden können.“

   Er war fertig mit der Zeichnung, drückte die Feder in einem Lappen aus, nahm das Papier vom Klemmbrett und Trillian die Tinte aus der Hand und verstaute alles wieder im Rucksack.

   „Und genau das ist das Problem an der Sache. Wenn das Einhorn nur ganz wenigen Personen erlaubt, es zu finden, dann kann niemand hergehen und in situ überprüfen, ob das wahr ist, was jene berichten. Damit sind die Kriterien der Wissenschaftlichkeit nicht erfüllt. Es kann also keinen objektiven, nachprüfbaren Beweis geben für seine Existenz.“

   „Aber es existiert doch!“ wandte Trillian ein. Er wies mit dem Finger auf den prächtigen rostroten Bullen, der seinen Kopf im Gras versenkt und angefangen hatte zu fressen. „Hier ist eines. Hier steht ein ausgewachsenes männliches Exemplar, und wir beide sehen es!“

   „Ja“, bestätigte Krål Linannson. „Hier steht ein ausgewachsenes männliches Exemplar, und wir beide sehen es. Vergesst niemals, dass das so ist.“

 

Kuilin - The Red Bull
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